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Arzneimittelrückstände im Trinkwasser 

Eine Befragung des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ergab: 40 % der 1000 befragten Haushalte machen sich Sorgen über Medikamentenrückstände im Wasser 1. Doch sind Arzneimittelrückstände im Trinkwasser wirklich eine Gefahr? Und besteht hier Handlungsbedarf? Schauen wir uns das Ganze doch etwas genauer an! 

In diesem Ratgeber erfahren Sie,...

  • … ob Medikamente im Leitungswasser ein Gesundheitsrisiko darstellen,
  • … wie Arzneimittelrückstände überhaupt in Gewässer und das Trinkwasser gelangen, 
  • … wie sich Arzneistoffe im Wasser auf Mensch, Tier und Umwelt auswirken
  • … und wie man gegen Medikamentenrückstände im Trinkwasser vorgehen kann. 

Inhalt dieses Artikels

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Aktualisiert am: 22.09.2022

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Medikamentenrückstände im Wasser: Ein Gesundheitsrisiko? 

Die chemische Spurenanalytik ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass Medikamente im Leitungswasser heutzutage bereits in den geringsten Konzentrationen nachgewiesen werden können. Dies war lange Zeit nicht möglich! Es ist also nicht überraschend, dass mit diesem Fortschritt und den neuen Funden die öffentliche Diskussion und damit auch die Angst vor Arzneimittelrückständen im Trinkwasser zunimmt. 

Tatsächlich werden Medikamentenrückstände im Wasser flächendeckend immer wieder nachgewiesen – vor allem in Flüssen, Seen und im Boden sowie seltener auch im Grund- und Trinkwasser. Allerdings ist die Konzentration von Arzneimittelrückständen im Trinkwasser derzeit noch sehr gering und beläuft sich auf wenige Nanogramm. 

Laut Umweltbundesamt (UBA) besteht daher derzeit für keine Altersgruppe ein Risiko beim Genuss von Trinkwasser. Nach derzeitigem Wissensstand sind Konzentrationen von unter 0,1 µg/l (100 ng/l) pro Stoff im Trinkwasser unbedenklich. Damit kommen Medikamente im Leitungswasser in einer weitaus geringeren Konzentration vor als sie für therapeutische Zwecke notwendig wären. 2

Rechenbeispiel:
Die minimale Tagesdosis des Antiepileptikums Carbamazepin beträgt 0,4 g also 400000 µg. Um diese Dosis über das Trinkwasser aufzunehmen, müsste man ca. 5479 Jahre lang jeden Tag 2 Liter Leitungswasser mit einer Carbamazepin-Konzentration von 0,1 µg/l trinken. 

Rechenweg: 
2 Liter Wasser pro Tag x Carbamazepin-Konzentration von 0,1 µg/l = 0,2 µg Carbamazepin täglich 0,2 µg Carbamazepin täglich x 356 Tage im Jahr = 73 µg Carbamazepin jährlich 400000 µg Carbamazepin als Mindestdosis ÷ 73 µg Carbamazepin jährlich = 5479, 45 Jahre

Problematische Wirkstoffe

Insgesamt gibt es in Deutschland derzeit 3000 unterschiedliche Wirkstoffe in mehr als 9000 Präparaten (sowohl aus der Human- als auch Veterinärmedizin). Stand 2021 konnten bisher 414 verschiedene Wirkstoffe im Wasser nachgewiesen werden, darunter unter anderem 3:

WirkstoffeIndikationsgruppe
Diclofenac, IbuprofenAnalgetika, Antirheumatika
Bezafibrat Lipidsenker
Metoprolol, SotalolBetablocker
Metformin Antidiabetika
Carbamazepin, PrimidonAntikonvulsiva, Antiepileptika
Sulfamethoxazol Antibiotika
Diazepam Psychopharmaka
Amidotrizoesäure, IopamidolRöntgenkontrastmittel

In diesem Zusammenhang weitaus am häufigsten diskutiert wird der Wirkstoff Diclofenac. Hochdosiert ist Diclofenac verschreibungspflichtig, in kleineren Dosen (z.B. als Bestandteil von Salben) ist es jedoch frei erhältlich. Der Wirkstoff wurde bereits in Klärschlamm, Oberflächen-, Grund- sowie Trinkwasser nachgewiesen 4. Bereits das Geiersterben in Indien und Pakistan in den 1990er Jahren sowie Nierenschäden bei Regenbogenforellen werden auf diesen Arzneistoff und dessen Eintrag in den Wasserkreislauf zurückgeführt. 

Grundsätzlich stellt Ibuprofen als Schmerzmittel eine gute Alternative dar, da es um einiges besser abbaubar und damit ökotoxikologisch weniger bedenklich ist. Allerdings ist der Verbrauch von Ibuprofen in den letzten Jahren so stark angestiegen, das nun auch hier eine große Belastung vorliegt und Rückstände von Ibuprofen punktuell im Trinkwasser nachgewiesen werden – wenn auch in bisher unbedenklicher Konzentration. 

Prognose für die Zukunft

Bisher ist die Konzentration von Medikamenten im Leitungswasser noch nicht als gefährlich einzustufen. Es zeichnet sich jedoch ein besorgniserregender Trend ab, dem es unbedingt entgegenzuwirken gilt. Die größte Herausforderung ergibt sich aus der zunehmend alternden Gesellschaft. Denn je älter man wird, desto mehr Medikamente verbraucht man, wie sich in der nachfolgenden Statistik gut erkennen lässt. 5

Pro-Kopf-Arzneitmittelverbrauch von GKV-Versicherten in Deutschland nach Altersgruppe im Jahr 2018

Quelle: https://de.statista.com/

In diesem Zusammenhang geht eine Studie von civity Management Consultants im Auftrag des BDEW (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft) aus dem Jahr 2017 davon aus, dass der Verbrauch von Humanarzneimitteln bis 2045 um ca. 70 % steigen wird. Spätestens dann könnten Rückstände von Medikamenten eine echte Gefahr für unser Trinkwasser darstellen, wenn nicht rechtzeitig gehandelt wird. 6

Wie gelangen Medikamente ins Leitungswasser? 

Grundsätzlich gelangen Medikamente sowohl punktuell bzw. direkt als auch diffus in den Wasserkreislauf. Dabei muss man zwischen unterschiedlichen Eintragswegen von Arzneistoffen aus der Humanmedizin und jenen aus der Veterinärmedizin unterscheiden. 

Arzneistoffe aus der Humanmedizin

Zu den am häufigsten verschriebenen Humanarzneimitteln gehören Entzündungshemmer, Asthmamittel und Psychotherapeutika. Rückstände dieser Arzneistoffe gelangen primär über das Abwasser direkt in den Wasserkreislauf. Dies geschieht zum einen bei der Ausscheidung aus dem menschlichen Körper und zum anderen durch das Abwaschen von Salben und Cremes. Da zahlreiche Wirkstoffe im Körper nicht vollständig abgebaut werden, gelangen diese teils unverändert und gemeinsam mit ihren Abbauprodukten in den Wasserkreislauf. 7

Aber auch eine unsachgemäße Entsorgung kann dazu führen, dass Arzneimittelrückstände in das Wasser eingetragen werden. Ebenso bedenklich sind Einleitungen im Rahmen der Herstellung von Arzneimitteln oder der Behandlung und Entsorgung von Krankenhausabwasser und -abfall. 

Unser Abwasser wird zwar laufend in Kläranlagen gereinigt, allerdings sind diese meist nicht darauf ausgelegt, Arzneistoffe rückstandslos aus dem Wasser zu filtern. Ibuprofen kann beispielsweise mit einem Wirkungsgrad von 60-80 % entfernt werden. Das Röntgenkontrastmittel Iomeprol hingegen lediglich mit einen Wirkungsgrad von 40-50 %. 

Selbst wenn diese Stoffe zurückgehalten werden, so ergibt sich bereits ein neues Problem: Klärschlamm wird häufig zur Düngung in der Landwirtschaft eingesetzt. Wird der Klärschlamm auf den Feldern ausgebracht, so gelangen die darin enthaltenen Medikamentenrückstände über den Boden ins Grundwasser und schließlich ins Trinkwasser

Arzneistoffe aus der Veterinärmedizin

Wichtige Arzneimittel aus der Veterinärmedizin sind vor allem Antibiotika, Antiparasitika, Entzündungshemmer sowie hormonell wirksame Substanzen. Diese gelangen primär über Gülle, Weidehaltung oder Aquakulturen durch Versickerung und Regen in das Grund- und Oberflächenwasser. 

Zudem können Verschleppungen bei der Verabreichung von Arzneimitteln im Stall sowie eine unsachgemäße Lagerung und Entsorgung dazu führen, dass Tierarzneimittel in den Wasserkreislauf gelangen. Ebenso problematisch sind Gärprodukte aus Biogasanlagen, die zur Düngung auf Feldern ausgebracht werden. Nicht zu vergessen ist überdies die Fischzucht. Hier werden Arzneimittel über das Futter direkt in das Wasser eingeleitet und von dort weitergetragen. 

Arzneistoffe in der Umwelt: Auswirkungen

Ob Arzneimittelrückstände im Wasser negative Auswirkungen haben, hängt immer von den jeweiligen Wirkstoffen ab. Problematisch sind vor allem jene Stoffe, die persistent, mobil und toxisch sind. 

  • persistent = der Stoff ist schwer abbaubar (Abbaubarkeit)
  • mobil = der Stoff kann im Wasser verschleppt werden (Verlagerungsverhalten)
  • toxisch = der Stoff hat eine giftige Wirkung auf Mensch, Tier und/oder Umwelt (Toxizität)

Grundsätzlich müssen Arzneimittel seit 2006 vor der Zulassung eine Umweltrisikobewertung durchlaufen. Hier werden problematische Wirkstoffe sowie deren Risiko für Gewässer und Boden ermittelt. Dabei sind die soeben genannten Faktoren Abbaubarkeit, Verlagerungsverhalten und Toxizität leitend. Jedoch gibt es zumindest zu jenen Medikamenten, die vor 2006 zugelassen wurden (Altwirkstoffe), keine bis kaum Daten. 8

Aus diesem Grund sind die Gefahren von Arzneistoffen in der Umwelt und im Wasser bislang teils noch unbekannt. Ebenso wenige Daten liegen zu sogenannten Mischeffekten – also dem Zusammenspiel von Rückständen unterschiedlicher Arzneistoffe – vor. Hier einige Beispiele von möglichen schädlichen Wirkungen, die bereits nachgewiesen wurden 9

Medikamente / WirkstoffeAuswirkung
Anti-Baby-Pille (17a-Ethinylestradiol)- beeinträchtigt die Reproduktion von Fischen
Diclofenac - schädigt innere Organe wie Leber und Niere von Fischen
Antibiotika- hemmen das Wachstum von Algen und Pflanzen
- führen zur Entstehung von antibiotika-resistenten Organismen
Antiparasitika - schädigen Insekten wie z.B. Bienen
- vermindern den Abbau von Dung

Was tun gegen Arzneimittelrückstände im Trinkwasser?

Um Medikamentenrückstände im Trinkwasser jetzt und in Zukunft bestmöglich zu reduzieren, braucht es einen ganzheitlichen Ansatz, der an unterschiedlichen Punkten ansetzt. Politik, Wasserwirtschaft, Landwirtschaft, Gesundheitswesen und Verbraucher müssen ihren Beitrag dazu leisten, um Mensch und Umwelt nachhaltig zu schützen. 

Das können Politik, Wasserwirtschaft und das Gesundheitswesen tun: 

  • separate Behandlung von Krankenhaus-Abwasser
  • zusätzliche Reinigungsstufe in Kläranlagen
  • Grenzwerte für die Konzentration von Medikamentenrückständen im Wasser
  • Berücksichtigung von Umweltaspekten bei der Entwicklung von Medikamenten
  • alternative Therapieformen
  • angepasste Verschreibungspraxis
  • Förderung einer gesünderen Lebensweise

Das kann die Landwirtschaft tun: 

  • effiziente und bodennahe Aufbringung von Düngung
  • weniger Ausbringung von Düngemitteln tierischen Ursprungs 
  • jahreszeiten- und witterungsangepasste Düngung
  • verantwortungsbewusster Umgang mit Tierarzneimitteln

Das können Verbraucher tun: 

  • Einsatz von Trinkwasserfiltern in Privathaushalten
  • keine Vorratskäufe von Arzneimitteln
  • verantwortungsbewusstes Maß an Selbstmedikation
  • richtige Entsorgung von nicht verwendeten Medikamenten

Wie entsorge ich Medikamente richtig? 

Sie sollten Altmedikamente keinesfalls über die Toilette oder die Spüle entsorgen! Geeignete Alternativen sind: 

  • Hausmüll/Restmüll
  • über die Apotheke (auf freiwilliger Basis)
  • Schadstoffmobile
  • Schadstoffsammelstellen
  • Recyclinghöfe

Hier finden Sie alle Entsorgungsmöglichkeiten in Ihrem Heimatort. 

Medikamentenrückstände im Trinkwasser: Ein Problem der Zukunft? 

Obwohl die Konzentration von Arzneimittelrückständen im Trinkwasser bisher für den Menschen noch nicht bedenklich ist, zeigen sich bereits erste negative Auswirkungen in der Umwelt. Fakt ist: Das Wasser als Lebensraum sowie als Lebensgrundlage des Menschen muss geschützt werden! Nur wenn alle Instanzen ihren notwendigen Beitrag leisten, lässt sich die Qualität unserer Gewässer und unseres Trinkwassers auch für die Zukunft noch sicherstellen. 

Icon Frage und Antwort

FAQs zu Medikamenten im Leitungswasser

Sind im Leitungswasser Medikamentenrückstände?

Ja, in unserem Leitungswasser befinden sich Medikamentenrückstände. Allerdings ist die Konzentration bisher noch so gering, dass keine negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit befürchtet werden. 

Sind Östrogene im Leitungswasser?

Ja, immer wieder finden Östrogene und andere Hormone ihren Weg ins Trinkwasser. Dies ist vor allem auf eine falsche Entsorgung von Medikamenten, Industrieabfälle sowie die natürliche Ausscheidung (Anti-Baby-Pille) zurückzuführen. 

Kann man Medikamentenrückstände aus dem Leitungswasser filtern? 

In Kläranlagen wird mancherorts eine 4. Reinigungsstufe implementiert, um Medikamente aus dem Wasser zu filtern. Dabei kommen primär Ozonung und Aktivkohlefilter zum Einsatz. Mit derartigen Verfahren lassen sich bis zu 90 % der Stoffe entfernen. Auch Privatpersonen können mit Hilfe eines geeigneten Trinkwasserfilters Arzneimittelrückstände im Wasser reduzieren. 

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Quellenangaben